In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Ein Mitarbeiter eines Finanzinstituts liegt seit einiger Zeit mit seinem Arbeitgeber im Clinch und macht nun seinem Ärger mit einem anonymen Eintrag auf einem Arbeitgeberbewertungsportal Luft. Er verwendet Formulierungen wie «unfähige Chefs» oder «Sklaventreiber» und bezeichnet die Arbeitsbedingungen als «unterirdisch». Da schnell klar ist, vom wem der Eintrag stammen könnte, wird der Mitarbeiter zur Rede gestellt. Er bestätigt, dass er Urheber der Bewertung ist. Das Recht auf Kritik stehe ihm aufgrund der Meinungsäusserungsfreiheit zu, weshalb er korrekt gehandelt habe. Der empörte Vorgesetzte wendet sich an die HR-Abteilung und fordert eine fristlose Kündigung. Darf er das?
Die Lösung: Arbeitnehmende dürfen grundsätzlich Bewertungen über ihre Arbeitgeber abgeben, auch kritische und negative, sofern solche Kommentare nicht arbeitsvertraglich ausgeschlossen sind. Sie können sich dabei auf die Meinungsäusserungsfreiheit berufen, die ihre Grenzen allerdings in der arbeitsrechtlichen Treuepflicht, im Persönlichkeitsschutz, im Datenschutz und in den Bestimmungen über den unlauteren Wettbewerb sowie im Strafrecht findet. Deshalb sind unwahre Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, Verleumdungen oder falsche Verdächtigungen nicht zulässig. Spricht der Arbeitgeber in solchen Fällen eine ordentliche Kündigung aus, kann der Arbeitnehmende keine Missbräuchlichkeit wegen Ausübung verfassungsmässiger Rechte (Meinungsäusserungsfreiheit) geltend machen.
Für eine fristlose Entlassung braucht es hingegen einen wichtigen Grund, der die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt und die weitere Zusammenarbeit als unzumutbar erscheinen lässt. Diese Schwelle ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sehr hoch. Es muss sich um besonders schwere Pflichtverletzungen handeln, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören.
Im vorliegenden Fall ist die negative Bewertung durchaus als unqualifizierte Schmähkritik und nicht als sachliche Tatsachenbeschreibung zu werten, weshalb zweifellos eine Treuepflichtverletzung vorliegt. Ob die Bedingungen für eine fristlose Entlassung erfüllt sind, erscheint hingegen fraglich. Ein Gericht würde im Einzelfall prüfen, ob das Vertrauensverhältnis aufgrund einer besonders schweren Verfehlung derart gestört ist, dass ab sofort keine Zusammenarbeit mehr möglich ist. Aufgrund der Rechtsprechung besteht ein Risiko, dass die Bewertung nicht als gravierende Pflichtverletzung taxiert würde. Bei weniger schweren Verfehlungen wird eine Verwarnung für eine fristlose Entlassung vorausgesetzt, die in diesem Fall nicht erfolgt ist.
Dem Arbeitgeber ist also zu empfehlen, von einer fristlosen Kündigung abzusehen und stattdessen eine Verwarnung auszusprechen und die fristlose Entlassung anzudrohen. Zudem ist die ordentliche Kündigung möglich. Der Mitarbeiter kann des Weiteren aufgefordert werden, die Bewertung zu löschen oder zu korrigieren. Der Arbeitgeber kann schliesslich auch direkt vom Anbieter der Bewertungsplattform verlangen, dass die Bewertung gelöscht wird.