In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Ein Bankmitarbeiter hat seinen Feriensaldo für 2023 bereits im ersten Quartal für eine Weltreise aufgebraucht. Um sich in den heissen Sommertagen doch noch etwas Erholung zu gönnen, nutzt er das Ferienkauf-Angebot seines Arbeitgebers und verschafft sich auf diesem Weg eine weitere Ferienwoche. Leider erleidet er bereits am ersten Ferientag beim Kitesurfen auf Sardinien einen Kreuzbandriss. Dieser zieht einen zweitägigen Spitalaufenthalt nach sich und führt zu einem jähen Ferienabbruch. Nun fragt sich, ob die verpassten Ferientage nachgewährt werden oder ob dies bei gekauften Ferien nicht der Fall ist?
Die Lösung: Bei den gesetzlich nicht geregelten «Extraferien» ist zu unterscheiden zwischen unbezahltem Urlaub und gekauften Ferien. Die Unterscheidung ist wichtig, weil beim unbezahlten Urlaub das Arbeitsverhältnis und damit auch die Rechte und Pflichten der Parteien «ruhen». Deshalb sollten vor allem die Folgen in Bezug auf die Sozialversicherungen im Auge behalten werden, um Versicherungslücken zu vermeiden. Das Aussetzen des Arbeitsverhältnisses beim unbezahlten Urlaub bedeutet aber auch, dass die für Ferien geltenden Regelungen nicht zum Tragen kommen. Deshalb gehen zum Beispiel die auf einen Arbeitstag fallenden Feiertage voll zu Lasten des Urlaubskontos, und es besteht auch kein Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs bei Ferienunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall. Unbezahlter Urlaub wird in der Regel bei längeren Abwesenheiten von mehreren Wochen oder Monaten bezogen und erfordert eine Absprache im Einzelfall.
Der Ferienkauf ist in der Praxis weit verbreitet. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten deshalb die Eckpunkte des Ferienkaufs im Personalreglement verankert sein, falls der Arbeitgeber diese Form von Extraferien überhaupt anbieten will. Eine Regelung sollte mindestens die folgenden Punkte abdecken:
- Wer ist berechtigt zum Ferienkauf (alle Mitarbeitenden oder nur ausgewählte Funktionen)?
- Wer muss die Ferien bewilligen?
- Wie viele Tage können gekauft werden? Häufig können eine bis drei Wochen gekauft werden, die nur en bloc bezogen werden können.
- Was geschieht mit gekauften Ferien, die im laufenden Jahr nicht bezogen werden? Gekaufte Ferien müssen in der Regel innerhalb des laufenden Jahres bezogen werden.
- Wieviel kostet ein Ferientag? Es gibt verschiedene Berechnungsarten für die Ermittlung des Tageslohnes. Am einfachsten ist die Faustregel von 1/261 eines Jahreslohnes, wobei von durchschnittlich 21.75 Arbeitstagen pro Monat ausgegangen wird.
- Was gilt in Bezug auf arbeitsrechtliche Spezialfragen wie Ferienkürzung (wächst der Ferienanspruch während gekaufter Ferien weiter an oder erfolgt eine Kürzung des Anspruchs?), Feiertage (werden Feiertage während gekaufter Ferienberücksichtigt oder nicht?) und Ferienunfähigkeit (können gekaufte Ferientage nachbezogen werden bei Krankheit und Unfall?)?
Da der Ferienkauf nicht gesetzlich geregelt ist, gibt es keine eindeutigen Antworten auf diese Fragen. Arbeitgeber Banken empfiehlt aber mit Blick auf den Sinn und Zweck des Ferienkaufs, diese zusätzlichen Ferientage wie «normale» Ferien zu behandeln. Das bedeutet, dass keine Ferienkürzung erfolgt, Feiertage berücksichtigt werden und bei Ferienunfähigkeit eine Nachgewährung der Ferien erfolgt.
Im konkreten Fall hat der Mitarbeitende gemäss der von Arbeitgeber Banken vertretenen Auffassung also Anspruch auf Nachgewährung der gekauften Ferientage, da er aufgrund des Kreuzbandrisses ferienunfähig wurde. Es ist allerdings in Erinnerung zu rufen, dass nicht jede gesundheitliche Beeinträchtigung eine Ferienunfähigkeit zu begründen vermag. Vielmehr muss der Erholungszweck der Ferien unmöglich werden, was namentlich bei schwerer Bettlägrigkeit und regelmässigen Arztbesuchen der Fall ist.