In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Nach neunjähriger Tätigkeit in der Kundenberatung entscheidet sich ein Bankmitarbeiter für den Wechsel zur Konkurrenz. Per Jahresende wird er aus dem Unternehmen ausscheiden. Langsam beginnt er sich mit den Austrittsformalitäten zu beschäftigen. Auf seinen Bonus für das Geschäftsjahr 2025 will er nicht verzichten, da ihm dieser gemäss Vertrag als prozentualer Anteil am Geschäftserfolg seiner Einheit zustehe. Zudem würde er im März 2026 sein 10-jähriges Jubiläum feiern, für das die Bank ein Dienstaltersgeschenk in der Höhe eines Monatslohns vorsieht. Er macht deshalb neben dem Bonus auch eine anteilsmässige Auszahlung der Jubiläumsprämie geltend. Die Bank verweist hingegen auf die Bestimmung im Personalreglement, wonach «alle über das Grundgehalt hinausgehenden Sondervergütungen nur unter dem Vorbehalt eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses ausgerichtet werden», weshalb weder ein Anspruch auf Bonus, noch auf die Prämie bestehe.
Die Lösung: Der Anspruch auf Sondervergütungen führt beim Austritt von Mitarbeitenden häufig zu Diskussionen. Dass das Arbeitsrecht den Begriff «Bonus» gar nicht kennt, macht die Sache nicht einfacher. Immerhin gibt es aber eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichts, die eine klare Unterscheidung der verschiedenen Leistungen zulässt: Handelt es sich um eine freiwillige Zuwendung des Arbeitgebers, auf die kein vertraglicher Anspruch besteht, und bei der allein der Arbeitgeber entscheidet, ob und in welcher Höhe sie bezahlt wird, liegt eine echte Gratifikation vor. Von einer unechten Gratifikation spricht man, wenn die Leistung zwar vertraglich vereinbart ist, deren Höhe aber im Ermessen des Arbeitgebers liegt. Ist die Sondervergütung nicht nur vertraglich vereinbart, sondern aufgrund vordefinierter Kriterien auch objektiv bestimmbar, so handelt es sich nicht um eine Gratifikation, sondern um einen Lohnbestandteil.
Diese Differenzierung ist ausschlaggebend für die Frage, ob ein Anspruch auf die Sondervergütung besteht, oder nicht. Der «Bonus» ist nur dann einklagbar, wenn es sich um einen Lohnbestandteil oder eine unechte Gratifikation handelt. Umgekehrt ist die echte Gratifikation als freiwillige Leistung in der Regel nicht einklagbar. Dies bedeutet auch, dass nur die echte Gratifikation mit Bedingungen versehen werden darf.
Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis: Da der «Bonus» vertraglich vereinbart und objektiv bestimmbar ist, handelt es sich um einen klagbaren Lohnbestandteil und nicht um eine freiwillige Gratifikation. Daran ändert auch die Formulierung im Personalreglement nichts, wonach der Bonus bei Kündigung verfällt. Eine solche Bedingung ist nichtig.
Beim Dienstaltersgeschenk ist es etwas komplizierter: Es handelt sich zwar ebenfalls um einen vertraglich vorgesehenen und objektivbestimmbaren Lohnbestandteil. Dennoch besteht kein Anspruch auf anteilsmässige Auszahlung bei vorzeitigem Ausscheiden. Dies liegt in der Natur des Dienstaltersgeschenks als Treueprämie und einer feinen juristischen Unterscheidung: Der Anspruch darauf besteht nämlich nicht bereits bei Vertragsabschluss und ist in der Durchsetzung lediglich bedingt durch den Ablauf der Zehnjahresfrist (im Sinne einer Suspensivbedingung). Vielmehr entsteht der Anspruch erst mit dem Erreichen des zeitlichen Schwellenwerts. Vor diesem Moment ist er deshalb nicht einklagbar als Pro-rata-Zahlung. Anders wäre es nur, wenn der Pro-rata-Anspruch auf das Dienstaltersgeschenk vertraglich vereinbart wäre.
Fazit: Der Mitarbeiter hat trotz Kündigung Anspruch auf die Bonuszahlung. Beim Dienstaltersgeschenk geht er allerdings leer aus.