In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
So viel vorweg: Es gibt in der Schweiz weder ein Recht auf hitzefrei, noch sind die maximal auszuhaltenden Temperaturen im Büro gesetzlich geregelt. Zudem darf der Arbeitgeber auch an Hitzetagen eine angemessene Kleidung erwarten. Es gibt also auch kein Recht auf Shorts und Flipflops am Arbeitsplatz.
Regelungen und Empfehlungen
In den arbeitsgesetzlichen Grundlagen finden sich aber durchaus Regelungen und Empfehlungen zum Umgang mit sommerlichen Temperaturen. Gemäss der Verordnung 3 des Arbeitsgesetzes und den entsprechenden Erläuterungen gelten für «sitzende Büroarbeit» 23 bis 26 Grad als ok. Ab 28 Grad wird es für Über- und Untergewichtige sowie für ältere Arbeitnehmende kritisch, und es sind besondere Massnahmen des Arbeitgebers erforderlich. Zudem gilt gemäss Mutterschutzverordnung die Arbeit von Schwangeren ab 28 Grad als gefährlich und gesundheitsschädigend. Ab 30 Grad sind für alle Mitarbeitenden erhöhte Aufmerksamkeit und Massnahmen des Arbeitgebers erforderlich. In der Broschüre «Büroarbeit bei Hitze» listet das SECO verschiedene Massnahmen auf, die von der Nutzung der Nachtabkühlung über die Erzeugung von Luftzug bis zum Zugang zu Getränken und der Anpassung der Präsenzzeiten reichen.
Komplexe Temperaturberechnungen
Während diese Eckwerte noch einigermassen verständlich erscheinen, steigt die Komplexität der technischen Erläuterungen zur Verordnung3 ins Unermessliche. Temperatur im Büro ist nämlich nicht gleich Temperatur: Die Lufttemperatur (also das, was das Thermometer an einem beliebigen Ort misst) ist nicht zu verwechseln mit der Raumlufttemperatur (die exakt einen Meter über dem Boden in der Mitte eines Raums gemessen wird) oder der operativen Raumtemperatur, die angibt, was wir tatsächlich spüren (also eine Mischung aus Lufttemperatur und Strahlungswärme der Umgebung wie Boden, Wände oder schwitzende Kolleginnen und Kollegen).
Doch damit nicht genug: Entscheidend für das Wärmeempfinden am Arbeitsplatz ist gemäss SECO das Konzept der «Thermischen Behaglichkeit», das sämtliche Klimaparameter (Temperatur, Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit etc.) rechnerisch zu einem «dimensionslosen Behaglichkeitsindex» zusammenführt, in der Fachwelt auch unter dem Begriff PMV («Predicted Mean Vote») bekannt. Dabei geht es um die durchschnittlich erwartete Zufriedenheit mit dem Raumklima. Der PPD-Wert (Percentage Persons Dissatisfied) gibt an, wie viele Kolleginnen und Kollegen nicht zufrieden sind mit der Temperatur. Interessant ist, dass für Büroarbeitsplätze ein PPD-Wert von 10 Prozent als akzeptabel gilt. Oder anders gesagt: 10 Prozent haben immer zu warm oder zu kalt, damit muss man einfach leben.
Der Kleidungs-Wert
Zur Frage der «Tenue-Erleichterung» hält die SECO-Wegleitung eine bemerkenswerte Herleitung bereit: Die Bekleidung spielt im Rahmen der thermischen Behaglichkeit durchaus eine Rolle, weil deren Isolationswert den Wärmehaushalt des Menschen beeinflusst. Dieser Wert wird in der Einheit «clo» (clothing) angegeben, was physikalisch als Wärmedurchlasswiderstand zu verstehen ist. Er variiert je nach Bekleidungssituation zwischen 0 (keine Bekleidung) und 3 (winterliche Bekleidung). Für Büroarbeitsplätze empfiehlt das SECO an heissen Sommertagen einen clo-Wert von 0.5. Welche und wie viel Kleidung diesem geringen Wert entspricht, bleibt der Fantasie der Leserinnen und Leser überlassen.
Wir wünschen Ihnen schöne und nicht zu heisse Sommertage. Achten Sie auf einen möglichst tiefen PPD-Wert und behalten Sie den clo-Wert Ihrer Mitarbeitenden stets im Auge.