In der Rubrik «Hätten Sie es gewusst?» bespricht Geschäftsführer und Arbeitsrechtsspezialist Dr. Balz Stückelberger Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung von Arbeitgeber Banken. Die Antworten sind kurz und allgemein gehalten und ersetzen nicht eine vertiefte arbeitsrechtliche Prüfung im Einzelfall.
Der Fall: Ein Bankmitarbeiter verbrachte die Sommerferien mit seiner Familie in Kanada. Die lange ersehnte, dreiwöchige Rundreise entwickelte sich aber bald zu einer leidvollen Odyssee: Aufgrund des Streiks einer Fluggesellschaft wurden die geplanten Inlandflüge gestrichen. Die Familie steckte tagelang auf Flughäfen fest und musste lange Strecken mit dem Bus zurücklegen. Zudem fiel auch der geplante Rückflug in die Schweiz aus. Die alternative Verbindung konnte aufgrund des grossen Andrangs erst später stattfinden, was zu einer unfreiwilligen «Ferienverlängerung» von zwei Tagen führte.
Zurück am Arbeitsplatz zeigt sich nun eine weitere Überraschung: Die Meinungen von Arbeitnehmer und Personaladministration in Bezug auf die Folgen der Unglücksreise gehen nämlich weit auseinander. Der Arbeitnehmer will sich die Chaostage in Kanada nicht als Ferien anrechnen lassen, weil er sich überhaupt nicht erholen konnte. Demgegenüber interessiert sich der Arbeitgeber nur für die zwei verpassten Arbeitstage als Folge der verspäteten Rückreise und will für diese Tage den Lohn kürzen. Wer hat Recht?
Die Lösung: Vorbemerkung: In solchen Fällen streben die Parteien häufig einvernehmliche Lösungen an, was aus Sicht von Arbeitgeber Banken auch sinnvoll und zu begrüssen ist. Dennoch soll mit den nachfolgenden Ausführungen die arbeitsrechtliche Situation dargelegt werden.
Für die zwei Absenztage aufgrund der verspäteten Rückkehrbesteht kein Lohnanspruch. Der Unterbruch der Verkehrswege ist zwar nicht durch den Arbeitnehmer verschuldet, fällt aber auch nicht in die Risikosphäre des Arbeitgebers. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Obligationenrechts liegt ein Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer vor. Er wird deshalb von seiner Leistungspflicht befreit. Das bedeutet, dass er die verpassten Tage nicht nachholen muss und auch keine Sanktionen zu befürchten hat, weil die Absenz unverschuldet war. Auf der anderen Seite entfällt auch die Leistungspflicht des Arbeitgebers, weshalb er keinen Lohn bezahlen muss für diese Tage.
Dass sich die Reise anders entwickelte als geplant, ist arbeitsrechtlich nicht relevant. Für das Nachholen von Ferien braucht es einen qualifizierten Grund, der in der Person des Arbeitnehmers liegen muss, insbesondere eine Krankheit mit schwerer Bettlägrigkeit, die den Feriengenuss ausschliesst. «Missglückte» Ferien als Folge von Annulierungen, schlechtem Wetter, Baulärm oder verlorenem Reisegepäck berechtigen hingegen nicht zum Nachbezug der Ferien.
Die Arbeitgeberin handelt also korrekt, wenn sie für die zwei Absenztage keine Lohnzahlung vorsieht und eine Nachgewährung der Ferien ablehnt.